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Bahn-Börsengang: Verpatztes Agenda-Setting

— Manches mal geht das politische Agenda-Setting mächtig nach hinten los. Wolfgang Tiefensee, Bundesverkehrsminister, durfte das gestern abend und heute erfahren. Da hatten sich die Verkehrsexperten der Fraktionen von CDU und SPD festgelegt, wie sie die Bahn privatisieren wollen: Das Schienennetz bleibt beim Bund, Die Bahn darf es per Vertrag weiter betreiben, die Transportunternehmen werden Investoren zu maximal 49 Prozent angeboten. Tiefensee, der immer wollte, dass die Bahn mit dem Schienenentz an die Börse geht, wollte sich dem Votum der Fraktionen anschließen, hatte das aber falsch verstanden. Die Süddeutsche Zeitung sprach mit dem Minister, schrieb einen Artikel und verkündete abends bereits über die Agenturen: „Die Bahn darf ihr Schienennetz behalten.“ Allerdings hatte auch die SZ den Minister nicht ganz verstanden, sind doch Besitz und Eigentum zwei grundverschiedene Dinge. Die Schlagzeile war dabei wichtiger, bot sie doch einen Konflikt zwischen Koalitionsparteien und Regierung. Flugs korrigierte das Ministerium und sagte, es sei falsch verstanden worden und stellte zuerst bei der Süddeutschen klar, was aber nur noch online möglich war, so dass der Fehler heute noch auf der Titelseite der SZ nachzulesen ist. Um 19.43 Uhr erfuhren auch die anderen Medien über Reuters, wie es richtig gewesen sein sollte: „Nach dem Votum von Union und SPD für eine Bahn-Privatisierung ohne Schienennetz lenkt nun auch die Bundesregierung auf diese Linie ein. Der Bund prüfe derzeit, wie er formal Eigentümer des Netzes bleiben, aber den Besitz daran der Bahn überschreiben könne, sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee der „Süddeutschen Zeitung“ laut Vorbbericht vom Donnerstag. „Damit bleibt dieVerantwortung für den Netzzustand bei der Bahn.“ Dies entspricht im Kern dem so genannten Eigentumsmodell, das eine rechtlicheTrennung des Netzes bei enger Anbindung an die Bahn vorsieht. Auf diesen Weg haben sich Union und SPD festgelegt.“ Wie das politische Spiel am Ende ausgeht, ist noch völlig offen – auf die Details kommt es an. Die Opposition jedenfalls spottet: „Tiefensee hat die Beschlüsse seiner eigenen Koalitionsfraktionen nicht begriffen. Die Bahn bekommt den Besitz am Netz eben nicht dauerhaft übertragen, sondern darf es lediglich vorerst weiter bewirtschaften. Entscheidend ist, dass das Netz nicht integriert privatisiert wird, sonden die Option der Trennung erhalten bleibt“, sagt Horst Friedrich, FDP-Verkehrspexperte. Heute gibt Tiefensee um 12.30 eine Pressekonferenz und stellt da wohl noch einmal alles richtig. Diskussion im FORUM.

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