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Der Blick hinter die Kulissen – Die Welt der Medien

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Interviewtechnik: Lernen von Friedmann

— Die Welt am Sonntag veröffentlicht in unregelmäßiger Reihenfolge Interviews, geführt von Michel Friedmann. Das Pikante: Die Interviews erscheinen unautorisiert, also eins zu eins. Für den Interviewten bedeutet das, genau zu überlegen, was er sagt. Für den Interviewer bedeutet das, sich akribisch vorzubereiten. Friedmann ist dafür die perfekte Besetzung: Er beherrscht es, Interviews zu „führen“ und vor allem sprachliche Versteckspiele des Gegenübers zu entlarven und durch gezielte Nachfragen offenzulegen. Diese Woche war der Innenminister von Bayern, Günther Beckstein, dran.
Beispiel für die Vorbereitung auf die Person, die einem gegenüber sitzt:
„Beckstein: Ich kann mir nicht vorstellen, daß Deutschland sich in irgendeiner Weise an einer militärischen Auseinandersetzung im Nahen Osten beteiligt.
Friedmann: Das sagt übrigens auch Herr Platzeck – und widerspricht der Bundeskanzlerin. Er sagte, für die SPD ist jegliche militärische Intervention gegenüber dem Iran ausgeschlossen. Obwohl der Iran in diesen Tagen Urananreicherung begonnen hat, obwohl der Iran Rußland die Rote Karte gezeigt hat. Übt sich Platzeck in Opportunismus und Populismus vor den Landtagswahlen?
Beckstein: Ich kann die Äußerungen von Platzeck nicht bewerten, sondern nur für mich sagen …
Herr Beckstein, Herr Beckstein, natürlich bewerten wir. Sie sind ein führender Politiker der CSU. Natürlich müssen Sie, können Sie, sollten Sie eine Äußerung von Herrn Platzeck, der Ihrer Kanzlerin so deutlich widerspricht, nicht schüchtern ausweichen!

Auch scheut sich Friedmann nicht, Aussagen in verständliches Deutsch zu transportieren, wenn der Politiker sein Politikerdeutsch verwendet:
„Friedmann: Das war die offizielle Version, kommen wir zur inoffiziellen. Ist Stoiber wirklich der beste Mann für Bayern und die CSU? Jetzt mal ganz ehrlich, es hört uns ja keiner zu.
Beckstein: Ja, er hat ja auch in den vergangenen zwölfeinhalb Jahren hervorragende Arbeit geleistet.
Friedmann: Was nicht heißt, daß die Zukunft genauso hervorragend sein muß.
Beckstein: Er strengt sich außerordentlich an, arbeitet in einem ungeheuren Maße und bemüht sich, bestimmte Schwachstellen wieder zu beheben.
Friedmann: Wenn mein Lehrer mir so ein Zeugnis ausgestellt hätte, wüßte ich, daß ich eigentlich durchgefallen bin. Herzlichen Dank, Herr Beckstein!

Im Januar hatte Friedmann bereits Claudia Roth von den Grünen interviewt und wunderbar entlarvt. Damals ging es um die Frage, ob die Grünen als Friedenspartei trotz ihrer Ikone Fischer einen Untersuchungsauschuss zu BND-Affaäre wollen, oder nicht.

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