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Der Blick hinter die Kulissen – Die Welt der Medien

Walter Ch. Zimmerli und Guido Palazzo: Transkulturelles Management

Kultur und Wirtschaft stehen in einem spannungsreichen Verhältnis zueinander. Nicht nur operieren Marktakteure immer vor einem kulturellen Hintergrund, und nicht nur haben alle Unternehmen eine mehr oder minder stark ausformulierte Unternehmenskultur, sondern es gilt auch: Heute verändert der Megatrend der Globalisierung sowohl, was wir unter „Kultur“ als auch was wir unter „Wirtschaft“ zu verstehen haben.

Nichts ist wie früher: Multinationale Unternehmen, Global Players oder Welt-Aktiengesellschaften handeln heute zunehmend unter Bedingungen, die durch ganz verschiedene ethnische, politische, religiöse Kulturen geprägt sind. Die dabei leitenden Wertvorstellungen, denen Unternehmen aus den Vereinigten Staaten oder aus Europa sich etwa in den Ländern Afrikas konfrontiert sehen, sind eben ganz andere als diejenigen, mit denen dieselben Unternehmen z.B. in China zu tun haben. Darüber hinaus sehen global tätige Unternehmen sich auch vor der Notwendigkeit, die ihrer eigenen Unternehmenskultur zu Grunde liegenden Werte mit denjenigen der Gastgeberkulturen in Beziehung zu setzen. Jeder Versuch, dies durch einen Wertimperialismus auszuhebeln, kann letztlich nur zu einem nicht bloß kulturellen, sondern auch ökonomischen Fiasko führen.

Gewiß, wirtschaftliches Handeln war schon immer eingebettet in ein gesellschaftliches Umfeld, eng verwoben mit den je gültigen Wertvorstellungen und moralischen Maßstäben. Und auch heute kann es daher von den kulturellen Vorgaben der es umgebenden Gesellschaft nicht getrennt werden. Denn es bedarf der verläßlichen, allgemein anerkannten Verhaltensregeln, die für jene Stabilität zu sorgen haben, die als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Prosperität angesehen werden muß. Dies gilt vordringlich für weitgehend homogene Gemeinschaften, in denen gegenseitige Verhaltenserwartungen stabilisiert werden. Dadurch wird ein Klima des Vertrauens erzeugt, ohne das eine Zusammenarbeit zwischen Menschen nicht vorstellbar ist. Der frischgebackene Wirtschaftswissenschaften-Nobelpreisträger A. Sen betont daher zurecht: „The issue of trust is central to all economic operations.“ Ohne Rekurs auf die moralischen Ressourcen einer Gesellschaft können Unternehmen „[…] ihre internen und externen Interaktionen nicht effizient stabilisieren […].“

Allerdings – und dies wird unter den erwähnten Globalisierungsbedingungen besonders deutlich – gilt auch, daß diese normativen Rahmenbedingungen nicht beliebig zur Disposition der Unternehmen stehen. Denn alle gesellschaftlichen Akteure zehren von den kulturell eingespielten Verhaltensmustern jener nationalen oder regionalen Kultur, aus denen sie stammen. Dies bedeutet, daß ihre Organisationskulturen diese übergreifende Kultur spiegeln ob sie es wollen oder nicht. So ist es beispielsweise zum Verständnis der Corporate Identity einer US-amerikanischen Firma immer auch notwendig, die in der übergeordneten US-amerikanischen Kultur vorhandenen Werthaltungen zu analysieren. Dies gilt in besonderem Maße, wenn es sich bei diesen Firmen um Global Players handelt. Denn die kulturelle Stabilität und Homogenität kann dort nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden, wo multinationale Unternehmen gleichzeitig in einer Vielzahl von Kulturräumen aktiv sind und mit einer Pluralität von Wertesystemen konfrontiert werden. Diese permanente Konfrontation mit kultureller Differenz bedroht mit dem ursprünglich homogenen Wertegebäude zugleich auch die unternehmerischen Identitäten, die im Biotop geschützter Einheitlichkeit gewachsen sind.

Dort, wo die Wertvorgaben sich kulturell ausdifferenzieren, scheinen sie ihre Steuerungsfähigkeit zu verlieren und werden dadurch in Organisationen überhaupt erst als knappe Ressource wahrgenommen. Zwar verführt die Globalisierung der Ökonomie zu der Annahme, daß die kulturinvarianten Regeln des Marktes dazu beitragen, so etwas wie eine weltweit einheitliche Kultur herzustellen. Schon diese These der einheitlich funktionierenden Märkte ist falsch, wie der bereits erwähnte Amartya Sen ebenfalls konstatiert. Zum anderen ist aber auch die weitere Annahme irreführend, daß Globalisierung sich ohne regionalisierende Gegenbewegung durchsetze. Marktwirtschaft als siegreich aus der Konfrontation mit der Planwirtschaft hervorgegangenes Erfolgsmodell in Europa ist eben etwas anderes als Marktwirtschaft unter Bedingungen z.B. eines antagonistischen Post-Apartheid-Systems.

Ein Festhalten an unveränderter Übertragbarkeit der eigenen Unternehmenskultur in fremde Kulturen führt zu Unsicherheit, Vertrauensverlust und erzeugt so subeffizient arbeitende Organisationen. Natürlich tauchen auch in weitgehend homogenen Gesellschaften Wertkonflikte auf, diese werden im lokalen Kontext jedoch durch formale Regeln aufgefangen, etwa in Form der gesetzlichen Rahmenordnung. Im globalen Kontext jedoch existiert ein solch formales Regelwerk nicht bzw. nur in Ansätzen. Damit lastet auf Unternehmen der Zwang, den Umgang mit kultureller Differenzen als eigene Aufgabe zu verstehen. Die Lösung normativer Probleme durch Herstellung transkultureller Kompetenz wird ganz offensichtlich zu einer zentralen Managementaufgabe im transnationalen Raum. Transkulturelle Kompetenz heißt Beschäftigung mit Differenz. Diese Fähigkeit ist nur durch ein tiefes Verständnis der fremden und der eigenen kulturellen Vorgaben zu erwerben. Management im transkulturellen Raum erhält so zwingend eine unternehmensethische Dimension im Sinne eines Umgangs mit Werten und Wertesystemen und eine kulturwissenschaftliche Dimension im Sinne einer Beschäftigung mit kultureller Differenz. Wir sprechen daher in diesem Zusammenhang von einem transkulturellen Management von Werten (TMW).

Die Balance zwischen Identität und Differenz als zentrale Aufgabe des TMW beinhaltet nun zum einen die Anerkennung von Unterschieden und zum anderen die Suche nach verallgemeinerbaren normativen Beständen innerhalb dieser Differenz.

Global Players stehen damit vor der Aufgabe, „(…) die kulturellen Differenzen in den zugrundeliegenden Wertsystemen zu erfassen und zu erlernen, um die eigenen Wertvorstellungen, die sich z.B. in Verhaltenskodizes niedergeschlagen haben und die Identität der Firma bestimmen, in die Kontexte anderer Kulturen zu transformieren.“ Transkulturelles Wertemanagement dient der Suche nach jenen Konsensinseln, die sich überall verankern lassen, wo die Unternehmung aktiv ist und so eine Basis für die Definition der Corporate Identity zu liefern vermögen. L. Human weist zurecht darauf hin, daß ein normativer Minimalkonsens nicht auf kulturelle Homogenität angewiesen ist. „An organisation can consist of a highly heterogeneous group of people in terms of race, sex and national origins but who nevertheless share certain values in common as well as a common commitment to organisational goals.“

Transnationale Unternehmen müssen nun auf der Suche nach diesem fragilen Gleichgewicht von Einheit und Differenz wenigstens drei Kulturebenen integrieren:

Ebene 1: die gewachsene Kultur der Unternehmung selbst (oder bei Fusionen die verschiedenen unternehmerischen Kulturen);

Ebene 2: die zugrunde liegende(n) nationalen Ausgangskulturen;

Ebene 3: die verschiedenen Kulturen, über die sich das transkulturelle Netzwerk der Unternehmung spannt.

Eine einheitliche Global Corporate Identity wird es wohl kaum geben. An ihre Stelle treten organisatorischer Arrangements, die einen gemeinsamen Prozeß gegenseitigen kulturellen und moralischen Lernens ermöglichen. Ein solcher auf Dauer gestellter Lern- und Veränderungsprozeß kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbindet, d.h. entlang ihren Wertvorstellungen verläuft und so die notwendige Motivation zur Teilnahme und Umsetzung sichert. „Values are important because of their foundational and motivational function in change processes.“ Zwischen der Bereitschaft der Menschen in Unternehmen, Veränderungsprozesse mitzutragen und der Anerkennung ihrer je unterschiedlichen Wert- und Zielvorstellungen besteht mithin ein enger Zusammenhang. Gerade unter den Bedingungen einer permanenten Konfrontation mit kultureller Differenz muß gelten, was der Philosoph Hans-Georg Gadamer fordert, nämlich die „Möglichkeit ernst zu nehmen, daß der andere etwas zu sagen hat“. Die südafrikanische Expertin für Diversity Management, Linda Human, betont daher zurecht die Bedeutung des Verständnisses für und der Anerkennung von Werten, die die Mitarbeiter aus anderen kulturellen Kontexten in die Unternehmung einbringen: „The management of diversity is ultimately about how I see myself in relation to others and the value-judgements I place on their behaviours and cultures.“

Auf kognitiver Ebene könnte dieser Lernprozeß etwa im Rahmen einer transkulturellen Stakeholder-Analyse vorangetrieben werden. Der klassische Stakeholder-Ansatz analysiert das Beziehungsnetz, in das Unternehmen eingebunden sind. Ausgangspunkt ist dabei die Überzeugung, daß unternehmerischen Interessen dort am besten gedient ist, wo Konflikte vermieden und die verschiedenen Anspruchsgruppen in ihren abweichenden Interessen möglichst berücksichtigt werden. Die Komplexität dieses Stakeholder-Netzwerkes steigt im transnationalen Raum, wo vergleichbare Interessengruppen (zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) unterschiedliche Reaktionen auf unternehmerische Entscheidungen zeigen. Wert- und Interessenkonflikten lassen sich dann am besten mit einem um die kulturelle Dimension erweiterten Stakeholdermanagement einfangen.

Auf operativer Ebene gilt es, Manager im Rahmen eines transkulturellen Kompetenztrainings für Fragen des Wertemanagements zu sensibilisieren. Selbstverständlich bedeutet dies zu einem gewichtigen Teil, sie darin zu trainieren, kulturbedingte Wertkonflikte zu erkennen und zu entschärfen. Wie bereits betont ist es auf der Suche nach einer Global Corporate Identity aber mindestens ebenso wichtig, kulturelle Differenz als Wert und als Quelle unternehmerischer Kreativität zu erkennen und so als Wettbewerbsvorteil zu nutzen.

Dort, wo der Umgang mit Differenz optimal organisiert wird, können Konflikte minimiert werden, kann Vertrauen hergestellt und die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesteigert werden. Auf strategischer Ebene gilt daher: Die Wechselwirkung zwischen der bestehenden Unternehmenskultur, der unternehmenseigenen Strategie und dem Human Ressource Management auf der einen und den verschiedenen lokalen kulturellen Umwelten auf der anderen Seite muß im unternehmerischen Entscheidungsprozeß berücksichtigt werden.

Die normative Basis einer Global Corporate Identity bildet dabei ein gemeinsamer Verhaltenskodex, der kultureller Differenz gerecht wird, aber zugleich jenen minimalen Wertekonsens beschreibt, ohne den eine unternehmerische Identität nicht denkbar ist. Dieser Prozeß kann zwar zentral angeregt werden, Vereinheitlichung kann aber immer nur regional wachsen. Man kann dies am Beispiel internationaler Unternehmenszusammenschlüssen verdeutlichen: Daimler Benz und Chrysler etwa stehen vor der gewaltigen Aufgabe, aus zwei unterschiedlichen unternehmerischen Identitäten, die in unterschiedlichen nationalen Kulturen gewachsen sind, eine Einheit zu konstruieren. Diese architektonische Leistung kann jedoch nur bewältigt werden, wenn die verschiedenen nationalen Niederlassungen dadurch nicht kulturell entwurzelt werden. Die Einheit muß entlang den nationalen Besonderheiten geschaffen werden, wenn sie die Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden soll. „This balance between consistency and adaptation is essential for corporate success.“ Hier hilft die Metapher des „Übersetzens“ weiter: „(…) nur Imperialisten und Kolonialisten bewegen sich in anderen Kulturräumen so, daß sie versuchen, diesen die eigene Sprache aufzunötigen. Im Regelfalle wird besser fahren und sich besser – auch in aller kulturellen Differenz – mit anderen verständigen können, wer es auf sich nimmt, deren Sprache zu lernen.“ Als ein großer US-amerikanischer Konzern, wie man hört, vor einiger Zeit den eigenen Code of Conduct an die deutsche Tochterunternehmung mit der Anweisung faxte, das Papier zu übersetzen und zu implementieren, wurde diese entscheidende Regeln nicht beachtet.

Wir sind davon überzeugt, daß kulturbedingte Differenzen in den verschiedenen Wertesystemen, die von transnationalen Unternehmen zu integrieren sind, eine der wichtigsten Herausforderungen unternehmerischer Praxis darstellen, „(…) der sich vermutlich in Zukunft nur mit einer verstärkten Ausbildung in transkulturellem Management begegnen läßt.“

 

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