Recherche: Traue keinem Gerücht!
— Warum nicht einfach etwas aufschreiben, wenn es einer einem erzählt hat und vielleicht sogar als Fachmann gilt? Es ist wie im Leben: In allem steckt ein Fünkchen Wahrheit, aber oftmals leider wirklch nur ein Fünkchen. Das aber reicht nicht aus, um andere ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zu zerren unter dem sie im Zweifel verbrennen. Spindoktoren nutzen dieses Instrument gerne, um den Gegner zu desavouieren oder zumindest die eigenen Mandanten in einem besseren Licht darzustellen.
Vergangene Woche gab es wieder eine Vielzahl von Fällen, bei denen die Gerüchte entscheidend waren und dabei verherrende Folgen hatten.
1. Der Fall Madeleine: Ein Verdächtiger kassiert jetzt von elf britischen Zeitungen eine Entschädigung von 755 000 Euro. Außerdem veröffentlichen die Blätter eine Entschuldigung. Sie hatten den Eindruck erweckt, der Verdächtige habe etwas mit dem Verschwinden der drei Jahre alten Madeleine in Portugal zu tun. Die Zeitungen hätten sein Leben zerstört, hatte er vor Gericht gesagt.
2. Der WDR (Monitor) berichtet vom Fall des Kölner Fliesenlegers Josef Hoss, der von einem Polizeikommando überfallen wurde, weil er angeblich Handgranaten bei sich zu hause versteckt hatte.
„Damals hatte er mit seinen Nachbarn Streit. Sie erzählten sich, der Hoss besäße Handgranaten und meldeten das der Polizei. Um sein Haus zu durchsuchen, nahmen ihn 16 Elitepolizisten fest. Da saß er gerade im Auto.
Josef Hoss: „Dann kamen hinten acht Mann ‚raus gelaufen, von vorne, und dann haben sie Scheiben eingeschlagen und haben mich mit ’nem Gummiknüppel traktiert, die Brust kaputtgeschlagen und ins Gesicht und haben mich raus gezogen, haben mich dann auf die Straße geschmissen, und dann haben sie mich gefesselt mit drei, vier Mann, haben … dass ganze Gelenk oben, das knackte alles. Und dann haben sie mir Handfesseln. Und wie ich gefesselt mit dem Gesicht auf dem Pflaster lag, hat mir einer links in die Rippen getreten, dann habe ich noch einen Riesentritt gekriegt rechts in die Rippen und einer ist mir in den Rücken gesprungen oder getreten mit einem Kampfstiefel. Und dann habe ich das Bewusstsein verloren.“
Die Bilanz des Einsatzes: Hoss hatte keine einzige Handgranate. Ein unschuldiger Bürger wurde von der Polizei arbeitsunfähig geprügelt. Rippenbrüche, schwere Prellungen, Schäden an der Wirbelsäule. Hoss musste seine Firma auflösen, das Haus verkaufen und ist heute schwer behindert. Das Strafverfahren gegen die Kölner Beamten wurde eingestellt, denn keiner der Polizisten konnte sich genauer erinnern, was sie da mit Bürger Hoss veranstaltet hatten.“
3. Die FTD berichtet wie der Finanzkonzern Bear Stearns in der Finanzkrise durch Gerüchte in die Pleite getrieben wurde.
“ Doch ab jenem Montag, dem 10. März, beginnt das Drama, als das „Wall Street Journal“ und der TV-Sender CNBC über Probleme bei Bear Stearns berichten. Die Aktie, die ein Jahr zuvor noch 170 $ wert war, fällt auf 63 $, der Handelsumsatz explodiert. Noch halten alle Geschäftspartner zu Bear Stearns, noch sind deren Geldspeicher voll. Doch dann stellt sich Schwartz CNBC-Korrespondent David Faber zum Interview.
Als der ihn fragt, ob die Gerüchte stimmten, dass Banken ihre Geschäfte mit Bear Stearns eingestellt haben, und Schwartz keine überzeugende Figur abgibt, ist für viele klar: Das ist der Anfang vom Ende. Nichts ist für Banken so wichtig wie ihre Glaubwürdigkeit – Zweifel daran können der Sargnagel sein. Tags drauf stellen massenhaft Banken und Fonds ihr Geschäft mit Bear Stearns ein. Die Bank kann sich kaum noch am Kapitalmarkt refinanzieren, ihre Barreserven schmelzen wie Butter in der Sonne. „Die institutionellen Investoren haben gesagt, dass sie mit Bear Stearns nichts mehr zu tun haben wollen – ohne einen Grund zu nennen“, sagt ein Insider.
Am Wochenende darauf ist Bear Stearns zwar vorübergehend gerettet dank eines 28-tägigen Überbrückungskredits, den die Fed via JP Morgan gewährt. In der Zentrale der Bank an der Park Avenue aber geben sich die „Heuschrecken“ die Klinke in die Hand: KKR, Flowers, die üblichen Verdächtigen. Übrig bleiben Dimon und JP Morgan, die Bear Stearns für lächerliche 10 $ je Aktie schlucken. Angetrieben von der Fed und Finanzminister Henry Paulson, dem Ex-Chef von Goldman Sachs, die keine vier Wochen warten wollten, ob sich Bear Stearns wieder erholt. „Die wollten ein Exempel statuieren und klarmachen, dass die Bear-Banker leiden sollen, nicht der Staatshaushalt“, sagt einer, der die Vorgänge gut kennt. „Warum hat die Fed nur 20 Minuten nach dem Verkauf an JP Morgan allen anderen Investmentbanken ihr Liquiditätsfenster geöffnet und nicht vorher schon Bear Stearns?“
UPDATE: Hier ist noch ein weiterer Fall.