Interview: Wenn einer lügt
— Was ist eigentlich, wenn ein Interviewpartner die Unwahrheit sagt und der Journalist es abdruckt, ohne davon zu wissen? Im aktuellen Newsletter des ABZV wird ein spannender Fall beschrieben, weshalb wir die Meldung gerne an dieser Stelle abdrucken.
Lügen-Geschichten
Die Zivilkammer 24 des Landgerichts Hamburg war schon bislang nicht dafür bekannt,
übermäßig pressefreundlich zu sein. Jetzt setzt sie mit einem weiteren Urteil alles daran,
erneut Medien-Geschichte zu schreiben. Wenn es in der Berufung Bestand hat, haben
fortan alle Redaktionen Probleme mit Interviews.
Die ganze Geschichte: Im vergangenen Sommer ziehen der Kabarettist Dieter Hildebrandt
und der Moderator Roger Willemsen mit ihrem Bühnenprogramm „Ich gebe Ihnen mein
Ehrenwort“ durchs Land, in dem sie über die Lügen der Menschheit schwadronieren. Zur
Vorberichterstattung wird Willemsen von einem Journalisten interviewt. Magazine und
Zeitungen drucken den Text, auch die Saarbrücker Zeitung. Darin wird Willemsen so
zitiert: „Das Focus-Interview, das Markwort mit Ernst Jünger geführt haben will, war schon
zwei Jahre zuvor in Bunte erschienen.“ Dumm nur, dass diese Behauptungen unstrittig
unwahr sind. Aber kann das die Zeitung wissen, als sie das Interview druckt? Muss sie
auch dann alle Fakten überprüfen, wenn sie im O-Ton berichtet? Egal, ob der
Gesprächspartner ein Moderator, ein Bürgermeister, ein Firmenchef ist?
Burdas Haus-Kanzlei Professor Schweizer klagt auf Unterlassung gegen die Saarbrücker
Zeitung. Nicht in München, nicht in Saarbrücken – in Hamburg, wo man das passende
Urteil erwartet. Es geht um den sperrigen Begriff der so genannten Verbreiterhaftung. Und
so urteilten jetzt die Richter: „…ist es für das Eingreifen einer Verbreiterhaftung bei der
Veröffentlichung eines Interviews nicht erforderlich, dass der intellektuelle Verbreiter (die
Zeitung, d.R.) sich die Formulierungen zu eigen macht. Vielmehr ist eine Distanzierung
erforderlich, damit ein Entfallen der Verbreiterhaftung in Betracht kommt.“ Die
Pressekammer erkannte sogar eine Wiederholungsgefahr, auch wenn die Zeitung
versicherte, das Interview nicht ein zweites Mal drucken zu wollen. „Damit stellt sie
lediglich ihre aktuelle Absicht dar, die sich in der Zukunft ändern kann.“ (AZ 324 O 998/07)
In einem anderen Verfahren gegen die FAZ hatte das Oberlandesgericht München
geurteilt: „…trifft den Verleger bei Abdruck eines Interviews nur eine eingeschränkte
Prüfungspflicht. Sie muss nur vorgenommen werden, wenn die vom Interviewpartner
aufgestellten Behauptungen eine besonders schwere Beeinträchtigung von
Persönlichkeitsrechten enthalten.“ (AZ 18 U 4341/06)