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Der Blick hinter die Kulissen – Die Welt der Medien

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Pressefreiheit: Mundtote Franzosen

— Die Süddeutsche Zeitung widmet sich heute an ihrer prominentesten Stelle – dem Kasten auf der Titelseite – dem französischen Mediensystem. Der Redakteur erklärt in seinem Artikel anschaulich, warum die französischen Journalisten ganz anders arbeiten als etwa die hiesigen. Die Überschrift: „Verhüllungs-Journalismus“ (statt „Enthüllungs“-Journalismus) verrät so einiges. Da ging es in Frankreich darum, dass die Arbeitgeber die Gewerkschaften geswchmiert haben und Staatspräsident es gewusst und beide Augen zugedrückt hat.

„Dabei hat ein Journalist der Wochenzeitschrift Marianne den, nun ja, Skandal sauber recherchiert und in allen Einzelheiten aufgeschrieben. Es gab sogar eine Agenturmeldung auf Französisch zu der Enthüllung, und zwar schon vor zehn Tagen. Doch die griff, von ein paar Internetseiten abgesehen, keiner auf.
Alle großen Medien ignorierten den Scoop. Dabei dementierte der Pressesprecher des Präsidenten trotz gezielter Nachfragen die Information bis heute nicht.
Für den Autor des Artikels liegt der Fall klar auf der Hand: „Sie wissen doch, in Frankreich sind alle Medien Sarkozy-hörig“, sagt Eric Decouty. Er selbst wechselte erst vor wenigen Wochen vom braven Regierungsblatt Le Figaro zu Marianne. Das klingt plausibel, schon allein weil allseits bekannt ist, wie gut Nicolas Sarkozy mit den größten Verlegern befreundet ist – mit Männern wie Dassault, Arnault, Lagardère, Bolloré, Bouygues und Pinault, die gleichzeitig gewichtige Industrielle sind.
Die Industriebeteiligungen in den französischen Medien hält die unabhängige Medienexpertin Isabelle Bourgeois zwar auch für ein Problem. Sie widerspricht aber der Behauptung, alle Medien seien Sarkozy-treu.
Über die Skandale von dessen Vorgängern François Mitterrand und Jacques Chirac sei auch kaum berichtet worden. „Frankreich ist keine Mediendemokratie“, sagt sie, „und es gibt auch eine Kritikkultur.“ Wer kritisiert, gilt leicht als Nestbeschmutzer. So weit der kulturelle Unterschied, der, sagt Bourgeois, auch dazu führt, dass Journalisten nicht lernten, zu hinterfragen, richtig zu recherchieren und auch selbstkritisch zu sein.“

Es gibt allerdings auch eine spannende rechtliche Komponente, die die Freiheit der Journalisten im Gegensatz zu den Kollegen in Deutschland einschränkt.

„Hinzu kommt, dass Journalisten schnell der Prozess gemacht werden kann. Frankreich kennt zwar die individuelle Meinungsfreiheit, aber keine wie in Deutschland durch das Grundgesetz verbürgte Medienfreiheit und auch nicht das Recht, sich ungehindert zu informieren. Stattdessen herrscht das Informationsgeheimnis vor. Wer eine exklusive unangenehme Nachricht über jemanden verbreitet, riskiert daher, verdächtigt zu werden, sich seine Informationen unrechtmäßig verschafft zu haben. Schlimmer noch ist: Wer jemanden namentlich zitiert, kann außerdem der Verleumdung bezichtigt werden. Deshalb anonymisieren die französischen Medien in aller Regel ihre Quellen.
Nur mit Humor und Ironie dürfen sie senden und drucken, was zuvor noch keiner zu veröffentlichen wagte. Die mittwochs erscheinende, immer achtseitige, garantiert anzeigenfreie Satire-Wochenzeitung Le Canard Enchaîné ist so zum einzigen investigativen Medium im Land geworden – wenn auch mit Einschränkungen: Das Innenministerium darf schon am Dienstagabend einen Blick in den Canard (was Erpel heißt, aber umgangssprachlich für Zeitung oder eher Käseblatt steht) werfen, um sich zu wappnen.

Kurzum: Es geht noch zu wie einst bei Hofe – der Narr darf dem König alles unter die Nase reiben, solange es lustig ist.“

Dann berichtet die SZ noch von der Reform des Presserechts in Israel. Es stammt aus dem Jahr 1933. Bislang wurden dort – wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg Lizenzen ausgegeben, bevor jemand als Verleger eine Zeitung auf den Markt bringen durfte. Damit soll jetzt Schluss sein. Dagegen müssen Verleger aber alle halbe Jahre in ihren Zeitungen veröffentlichen, an welchen anderen Unternehmen sie beteiligt sind.

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