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Der Blick hinter die Kulissen – Die Welt der Medien

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Komischer Auftritt der „Pressesprecher“

— Gestern abend lud der Bundesverband deutscher Pressepsrecher zur 1. Speakersnight in die Berliner Staatsoper. Bei seiner kleinen Gala waren sich die Chefverkäufer von Firmen-, Partei- und Verbandsinteressen nicht zu schade, einen Preis für die schlechteste Berichterstattung von Journalisten zu vergeben. „Sieger“ wurde Oliver Schröm, der für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung das Stück „Der Gesichtsverlust“ geschrieben hatte. Die Begründung der Pressesprecher: „Er behandelt darin den Terroranschlag von Djerba und die Folgen – zu einseitig und ohne alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen, wie die BdP-Mitglieder befanden.“ Und: es sei „unsauber recherchiert, bewusst falsch gemeldet, unfundiert berichtet„worden. Aber warum nur? Der Autor reagiert: „Wie mir mündlich von Ihrem Verbandspräsidenten mitgeteilt wurde – eine schriftliche Begründung liegt mir leider noch nicht vor -, soll ich den Preis erhalten, weil ich die Sichtweise von TUI nicht dargestellt und den Pressesprecher des Konzerns nicht angerufen hätte. Meines Erachtens sprechen die schriftlichen Äußerungen der leitenden TUI-Mitarbeiter sowie des Anwalts für sich selbst – deutlicher als sie irgendjemand übersetzen könnte. Wollte sich der Reiseveranstalter – unabhängig von der Schuldfrage – von der zynischen Haltung seines Anwalts distanzieren, stünde im das bewährte Instrument der Pressemitteilung zur Verfügung. Es wurde in den vergangenen Monaten hierfür nicht genutzt.“ Schröm vermied es, selbst zu erscheinen – wer reist schon gern freiwillig zu seiner eigenen Hinrichtung? Entsprechend reagierte er per schriftlicher Stellungnahme. Unter den Gästen machte sich der Eindruck breit, dass hier ein Fall von beleidigter Pressesprecher vorgelegen haben muss. Offenkundig hatten sie es bei ihrem Online-Voting zum schlechtesten Artikel nicht ertragen können, wenn sie die Kommunikation über ihr zu vermarktendes Produkt nicht unter Kontrolle haben – unabhängig davon, dass der Anwalt der Familie im konkreten Fall gezielt auf die Medien zugegangen ist, um den Fall so in den Zeitungen beschrieben zu finden. Vielleicht sollten sich die Pressesprecher fragen, ob sie in Zukunft nicht so arbeiten sollten, dass sie auch angerufen werden. Überhaupt, wozu ein Preis für eine Ente – und dann noch von Pressesprechern? Eitelkeit des Verbandes, Aufmerksamkeitssucht? Viel geklatscht wurde jedenfalls nicht. Ach ja, es wurde auch Preis für die beste Geschichte vergeben.

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