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Fehmarnbelt-Querung auf der Kippe: Schuld ist nur die Bürgerbeteiligung?!

Seit einigen Tagen steht fest, dass es Probleme geben wird beim Bau der Fehmarn-Belt-Querung. Mit einem circa 18 Kilometer langen Tunnel will Dänemark eine feste Verbindung mit dem deutschen Festland schaffen und erhofft sich damit wirtschaftliches Wachstum. 2021 könnte es soweit sein, nun bremst aber die deutsche Seite. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat seinem Amtskollegen in Dänemark mitgeteilt, dass sich der Bau der Eisenbahntrasse auf deutscher Seite um „mehrere Jahre“ verzögern wird. Vielleicht ist sie 2024 fertig, wie die Bahn offiziell hofft, oder eben später. „Das ist ein ehrgeiziger Zeitplan mit hohem Anspannungsgrad“, heißt es im Verkehrsministerium.

Schuld soll nun die intensive Bürgerbeteiligung sein, wie die Süddeutsche Zeitung heute berichtet. Dabei sollten die Bahngüter aus Dänemark zunächst auf der bestehenden Strecke entlang der Ostseeküste führen – durch etliche Badeorte. Kein Wunder, dass selbst die Politiker das Vorhaben nicht unterstützen.
So erklärte die Ostholsteinische SPD-Bundestagsabgeordnete, Bettina Hagedorn:

 

 

„Fakt ist, dass sich bereits 2004 die Deutsche Bahn aus dem Vorhaben ‚Feste Beltquerung‘ zurückgezogen hat wie auch im Oktober 2006 die Wirtschaft, die sich bis dahin zu 50 Prozent an der Festen Querung mit eigenem Risiko beteiligen wollte – beide begründeten diese Absage zum Einsatz eigener Finanzmittel damals mit zu geringen Verkehrsströmen und deshalb fehlender Rentabilität. Die Deutsche Bahn plant seit 2009 diese Strecke jetzt ausschließlich als Auftragnehmer des Bundesverkehrsministeriums – quasi wie ein Ingenieurbüro. Sie hat null finanziellen Entscheidungsspielraum, sondern plant, was ihr der Bundesverkehrs- und Finanzminister als deutsche Garanten für den Staatsvertrag vorgeben – und das war seit 2009 die eingleisige Elektrifizierung der Bestandsstrecke mit der Zweigleisigkeit 7 Jahre nach der Eröffnung der Beltquerung und NACH dem Beweis der von Dänemark sehr optimistisch prognostizierten Verkehrszahlen… Genauso, wie es der auch von Dänemark unterschriebene Staatsvertrag vorsieht. Diese Pläne hat die Deutsche Bahn quasi ‚in der Schublade‘. Erst im Sommer 2014 hat der Verkehrsminister in Anerkennung des Raumordnungsbeschlusses in Schleswig-Holstein der Bahn einen völlig neuen Planungsauftrag erteilt und somit auch die sehr viel höheren Mittel für diese komplett neue Planung sichergestellt: Jetzt wird sofort zweigleisig elektrifiziert geplant und mit 55 km Neubautrasse von insgesamt 75 km, es wird auf der Neubautrasse statt der im Staatsvertrag garantierten max. 160 km/h  für Personenzüge und 120 km/h für Güterzüge eine Hochgeschwindigkeitstrasse geprüft und die Sundquerung – entgegen der Festlegung im Staatsvertrag – wird vierspurig und zweigleisig durch einen Brücken- oder Tunnelneubau ergänzt. Das heißt: die Deutsche Bahn fängt seit Sommer 2014 fast bei null mit einer Neuplanung an, die mit den Eckwerten des Staatsvertrages nur noch marginal etwas zu tun hat. Die Verantwortung dafür trägt selbstverständlich ihr Auftraggeber – der Bund – und nicht sie selbst als Auftragnehmerin.

 

Diese zeitliche Verzögerung Deutschlands bei der Hinterlandanbindung hat also seine Ursache vor allem in einer  nahezu hundertprozentigen Planungsänderung als Resultat einer ernsthaften Bürgerbeteiligung nach den desaströsen Erfahrungen des Bundes mit u.a. ‚Stuttgart 21‘. Das Bundesverkehrsministerium darf diese Gründe nicht vernebeln und falsche Sündenböcke benennen, sondern sollte selbstbewusst zu dieser bislang erfolgten Bürgerbeteiligung und den daraus resultierenden Konsequenzen stehen. Der Minister Dobrindt muss jetzt allerdings auch gegenüber den Anwohnern und der dänischen Regierung für diese Verzögerung die Verantwortung übernehmen und alle daraus erwachsenden Veränderungen durch Nachverhandlung des Staatsvertrages fair und transparent regeln – darauf haben die Bürgerinnen und Bürger in Ostholstein einen Anspruch!“



Allein die Vorplanungen haben bislang 18,5 Millionen Euro gekostet. Das Bundesministerium erklärt auf Nachfrage:

„Das Raumordnungsverfahren läuft seit Januar 2013, im Mai 2014 kam die Landesregierung zum Ergebnis, dass eine Kombination aus einer Neubaustrecke (3/4)  und Umfahrung der Oststeebäder die bevorzugte Variante ist. Das BMVI hat die  DB AG umgehend angewiesen, die weiteren Planungen auf dieser Grundlage aufzunehmen.  Das Planfeststellungsverfahren soll im ersten Halbjahr 2017 eingeleitet werden.“

Offiziell steht das Berliner Ministerium zum Staatsvertrag mit Dänemark. Der Wurde 2008 geschlossen. Danach finanziert Dänermark den Bau des Tunnels allein, Deutschland baut dafür seine Verkehrswege aus. Doch mit einem gigantischen Verkehrswachstum rechnet eh niemand auf deutscher Seite. Daher ist das Interesse gering, dort besonders viel Geld zu investieren, das im Gegenzug an anderer Stelle fehlt, wo es wirklich Staus und andere Engpässe gibt – und die Bevölkerung einen Ausbau der Verkehrswege sogar unterstützt. Vielleicht wird das Projekt gar gekippt, Staatsvertrag hin oder her. Jedenfalls wird es im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung für die Projekte bis 2030 noch einmal neu überprüft. Stehen die mit 1,5 Milliarden Euro veranschlagten Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen, dann müsste sich der Bund gegen das Projekt entscheiden.

Übrigens hat sich auch Kanzlerin Angela Merkel zu dem Thema bereits im vergangenen Jahr maximal zurückhaltend geäußert, als die dänische Ministerpräsidentin Thorning-Schmidt zu Besuch in Berlin war.

„Es ist natürlich auch sehr wichtig für Dänemark, dass es eine feste Verbindung durch den Fehmarnbelt-Tunnel geben wird. Das ist natürlich auch für das Wachstum und die Beschäftigung in der Zukunft sehr wichtig, darum geht es ja schließlich.“

Weniger Begeisterung auf deutscher Seite geht kaum. Deutschland muss neben der Bahnstrecke auch noch die Bundesstraße 207 auf vier Streifen ausbauen. Dazu hat im Oktober 2011 das Planfeststellungsverfahren begonnen. Nach jetzigem Planungsstand kostet es laut Ministerium 109 Millionen Euro.

Links zum Thema:

Projektgesellschaft

Deutsche Bahn zum Projekt

Bundesverkehrsministerium zur Historie und Dokumente

Gegner

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