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Wie der Rotmilan Robert Habeck erklärt

Zum Foto: Der Weißkopfseeadler ist auch ein Kandidat, der Winderärdern zum Opfer fallen kann. Im Gegensatz zu Bussarden und Rotmilanen lebt er nicht in unseren Gefilden.

 

Wie bringen Journalisten den Menschen Politik näher? Zuerst ist da die Nachricht, mit der wir Ereignisse dokumentieren und verbreiten. Beispiel:

Habeck will Tempo beim Klimaschutz verdreifachen

So schrieb es die Süddeutsche Zeitung. Der neue Bundesklimaminister Robert Habeck von den Grünen hat dies vor, wenig verwunderlich. Und die Aussauge ist auch recht abstrakt, um sich richtig zu interessieren, oder nicht? Dabei hat es das Thema natürlich in sich: Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren – auch und vor allem auf Druck der Öko-Aktivisten – zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet, die mehrheitlich verfehlt werden. Es muss also Tempo her. Aber, was dies konkret für jeden einzelnen bedeutet, ist das Spannende und Konkrete – und wer darüber schreibt, der verdeutlicht schnell die Betroffenheit und weckt damit auch das Leserinteresse.

Nun war da als Erstes also diese Nachricht. Sie beinhaltete unter anderem, dass der Minister vor allem darauf setzt, sehr viele Windräder schnell aufzustellen. So etwas birgt politischen Sprengstoff, erst recht wenn Habeck Bayern und der CSU vorschreiben will, von ihren Abstandsregeln zu Häusern abzuweichen, um mehr Windmühlen aufzustellen. Es folgten also derartige Artikel, die schon ein wenig mehr Interesse erzeugen – mindestens bei den Bürgern vor Ort, die nicht in unmittelbarer Nähe zu einem hohen Turm wohnen wollen.

Noch schöner – und wie ich finde richtig interessant – wird die Nachricht, wenn man sich eine zentrale Aussage Habecks zu Gemüte führt. So schrieb die Welt über die Pressekonferenz des Minister:

Gehe es etwa bei Windkraft-Projekten um Beeinträchtigungen der Anwohner durch Emissionen, Sichtbeschränkungen oder Geräuschen, würden diese Schutzgüter künftig „nachrangig behandelt“, sagte Habeck. „Dann kann auch zügiger genehmigt werden.“ Ein ähnlicher Versuch, den Ökostrom-Ausbau in den Rang eines übergeordneten nationalen Interesses zu heben, war 2020 am Widerstand von Naturschützern und Oppositionspolitikern gescheitert.“ 

Hier liegt die Crux grüner Politik: Natur- und Umweltschützer sind seit Jahren über Kreuz. Und da kommt also Habeck und erklärt, dass der Naturschutz nun zurückstehen müsse. Und sein Staatssekretär, Sven Giegold, hatte im Dezember schon klare Worte gefunden und damit den Widerstand des Naturschutzbundes provoziert:

„Sobald ein Rotmilan in einem Planungsgebiet auftaucht, kann dort im Prinzip nicht mehr gebaut werden«, sagte der Grüne den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Das muss verändert werden, denn es geht im Naturschutz ja eigentlich um den Bestand und nicht zwingend um das einzelne Tier.“ Darum plädiere er bei den europäischen Richtlinien für die Umstellung von »Individuen-Schutz zum Populationsschutz.“

Es lässt sich doch nun wunderbar Naturschutz und Klimaschutz in der Praxis erklären. Dazu gibt es wieder unterschiedliche Darstellungsformen. Die Welt etwa führte kurz vor Weihnachten ein Interview mit Ute Eggers, Vogelexpertin beim Nabu, die die Aussage von Giegold als falsch bezeichnete und erklärte, wie der Rotmilan lebt und warum sein Schutz wichtig ist.

Und die FAZ wartete heute mit einem Aufmacher im Feuillton auf, der nicht minder lesenswert ist und zugleich die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Thema problematisiert, Scheindebatten entlarvt und aufzeigt, dass nicht der Vogelschutz das Problem ist, sondern vielmehr der Personalmangel in den Genehmigungsbehörden und der fehlende Wille zu differenzierten Lösungen. Autor Kai Spanke kommt jedenfalls zu dem Befund:

Für den Rotmilan tragen wir eine besondere Verantwortung, da rund die Hälfte des weltweiten Bestands hierzulande brütet. Doch auch der häufigste Greifvogel Deutschlands, der Mäusebussard, gerät durch Windkraftanlagen in Bedrängnis. Das zeigt eine Studie mit dem sperrigen Namen „Prognosis and assessment of collision risks of birds at wind turbines in northern Germany“.“ Danach hätten Forscher von einer „potenziell bestandsgefährdende Entwicklung“ für den Mäusebussard geredet. „Dieser Befund hat selbst erfahrene Ornithologen verblüfft. Wenn sogar ein Allerweltsvogel durch die Windkraft bedroht wird, sollten deren Befürworter den Populationsschutz nicht länger als sinnvolle Maßnahme im Artenschutz verkaufen.“

.Wie wäre es nun als nächstes mit einer Reportage?

 

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