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Der Blick hinter die Kulissen – Die Welt der Medien

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Merz und die Journalisten Teil II

Friedrich Merz wünscht sich eine Welt ohne kritische Medien – so zumindest versteht der Deutsche Journalistenverband den möglichen neuen CDU-Vorsitzenden .

Merz hatte am 21. Januar bei einer Veranstaltung in Aachen gesagt: „Wir brauchen die nicht mehr.“

Über eigene Social-Media-Kanäle wie YouTube könnten Politiker ihre eigenen Interessen wahrnehmen und „ihre eigene Deutungshoheit auch behalten“, sagte Merz. „Und das ist die gute Nachricht der Digitalisierung“, fügte er hinzu. (Siehe: Welt)

Nun ist es so, dass das Verhältnis von Politik und Medien seit eh und je ein schwieriges ist. So folgen beide sozialen Systeme ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten, oder Codierungen, wie es in der Systemtheorie heißt (siehe dazu: Politik und Medien). Das bedeutet, dass die Medien natürlich nie ungefiltert über Politik berichten, sondern auswählen (Gatekeeper), gewichten und kommentieren. Über soziale Medien hingegen kann natürlich jeder Politiker versuchen, direkte Kommunikation mit dem Bürger auzunehmen. Doch wehe dem, der glaubt, damit seien alle Probleme der politischen Kommunikation gelöst. Das Rezo-Video aus dem vergangenen Sommer hat gezeigt, wohin die Reise geht. Wenn etwa die Stoerr-Gruppe nicht nur Youtube-Infuenzer unter Vertrag hat und ihnen Millionen Follower beschert, sondern auch Medien wie T-Online betreibt und wenn eine CDU mit annähernd keinen Abonnenten versucht dagegen zu halten, dann kann dies nur schief gehen (die Rücktrittsrede von Annegret Kramp-Karrenbauer haben sich auf Youtube bis zum heutigen Tag gerade einmal 600 Menschen angesehen, den Tagesschaubericht hingegen mehr als 145 000).

Friedrich Merz sollte wissen, dass es Multiplikatoren bedarf, um seine Botschaften erfolgreich zu transportieren. Dies kann eine Partei mit eigenen Infuenzern versuchen (die CSU kann vom Misserfolg ein Lied singen), oder aber durch glaubwürdiges und von Kritik begleitetem Auftreten bewerkstelligen. Dazu gehören zwingend auch seriöse Medien – und darüber hinaus selbstverständlich die direkte Kommunikation mit dem Bürger. Schließlich sollen die „Volksvertreter“ die Interessen des Volkes vertreten und um den besten Weg ringen (und ihn so im Kompromiss auch finden) nicht ihre Marke best-manipulierend unters Volk bringen oder ihre eigenen Interessen gegen alle anderen durchsetzen (siehe Trump und Co.). 

Was ein Herr Merz wohl sagen würde, wenn die Medien sich entschieden, einfach nicht mehr über Politik zu berichten? Er jedenfalls will sich – wie so oft, wenn er Kontorversen auslöst – falsch verstanden wissen, so schreibt er es in einem offenen Brief an den Journalistenverband.

Sehr geehrter Herr Überall,

vielen Dank für Ihren Brief vom heutigen Tag.

Sie beziehen sich auf eine Veranstaltung des Aachener Karnevalsvereins vom 21. Januar in Aachen. Der dort von mir gesagte Satz „Wir brauchen die nicht mehr“ stand ausschließlich und erkennbar im Zusammenhang mit der Verbreitung von Nachrichten über die Social-Media-Kanäle. Richtig ist, dass heute jedermann in der Lage ist, über soziale Medien eigenständig Themen zu setzen. Mit dieser Feststellung habe ich an keiner Stelle die Bedeutung einer freien Presse in Frage gestellt, im Gegenteil. Ich betone in fast jeder meiner Reden die Bedeutung und Notwendigkeit der Pressefreiheit, die ich durch ganz andere Entwicklungen erheblich gefährdet sehe. Und wer mich kennt, weiß, dass ich die Pressefreiheit für eine der Grundvoraussetzungen einer offenen und freien Gesellschaft halte. Es gibt also keinerlei Notwendigkeit, den Widerstand des DJV zu organisieren. Im Gegenteil, Sie haben mich bei diesem Thema immer an Ihrer Seite.

Ich freue mich, wenn wir bei Gelegenheit über die tatsächlichen Bedrohungen der Pressefreiheit einmal In einen Dialog eintreten könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Friedrich Merz

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