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Der Blick hinter die Kulissen – Die Welt der Medien

Probleme der Kapitalbesteuerung

 

IV.1.2.1. Neue Anlageformen

Der erste Versuch der Kreditwirtschaft die Zinsabschlagsteuer zu umgehen erfolgte über Kapitalanlagemodelle. Diese zielten darauf ab, den Zinsabschlag zumindest teilweise oder die Einkommenssteuer ganz oder teilweise zu vermeiden. Anstelle steuerpflichtiger Kapitalerträge sollten steuerfreie Kursgewinne erzielt werden und/oder der Zufluß steuerpflichtiger Kapitalerträge zeitlich auf den steuerlich günstigsten Zeitpunkt verlagert werden.[75] Dies verärgerte wiederum Theo Waigel, der diese neu geschaffenen Anlageformen per Erlaß des BMF im Mai 1993 wieder untersagte.

Unter den geschaffenen Derivaten zählten unter anderem Giros (Guarenteed Investment Return Options), Iglus (Investment Growth Linked Unit) und Capped Warrants wie auch Kombizinsanleihen.[76] Diese Kreationen erwirtschaften im ersten Jahr keine Zinsen, in den Folgejahren ist jedoch mit Zinserträgen von bis zu 19 Prozent jährlich zu rechnen. Entscheidend hierbei ist der Zeitpunkt des Verkaufs. Werden die Anleihen nach den zinsfreien Jahren verkauft, so kann der Anleger den Wertgewinn steuerfrei einbehalten – so warb zumindest die Bankwirtschaft. Fachzeitschriften warnten nach Bekanntgabe dieser Anlageformen vor ihnen, womit sie richtig liegen sollten. Interessanterweise wurden diese Anleihen bereits im Sommer 1992 entwickelt ( wie z.B. capped warrants). Dies verdeutlicht den Zwiesßalt in den sich die Verbände bereits in der Politikformulierungsphase befunden haben. Zwar waren sie beratend für die Politik tätig, nicht ohne Bedacht auf eigene Vorteile, aber in gleichem Maße auch beratend für ihre wichtig Klientel tätig, die sie ökonomisch gesehen nicht verlieren dürfen.

Aber nicht nur Kreditinstitute und private Vermögensberater entdeckten zumindest kurzzeitig Schlupflöcher für ihre Kunden, sondern ebenso Fachzeitschriften.

Das Capital zeigte in seinem Titelthema „Jetzt alle Steuertricks nutzen – Angriff auf das Bankgeheimnis“[77] Sparmöglichkeiten bei Zinsanlagen, Fonds, Aktien und Optionen auf. Es weist darauf hin, daß der Zinsbesteuerung im Inland zwar nicht gänzlich aus dem Weg gegangen werden kann, aber „zumindest ein bißchen“.

IV.1.2.2 Steuerfreie Kursgewinne

Ein weiteres gern gemachtes Angebot von Kreditinstituten, daß auch genutzt wurde, waren niedrigverzinsliche Anleihen. Darunter fallen z.B. Zerobonds, Finanzierungsschätze und Bundesschatzbriefe Typ B. Der Blick des Anlegers richtet sich dabei weniger auf die Zinsen als auf den möglichen Kursgewinn.

 

Beispiel:

Ein Anleger erwirbt eine Anleihe mit einer Nominalverzinsung von 5 Prozent. Die Laufzeit beträgt fünf Jahre. Bei dem derzeitigen Renditeniveau von 7 Prozent erwirbt er die Anleihe zu 95 Prozent des Kaufpreises. Verkauft er die Anleihe wieder, so erhält er 100 Prozent des Nominalwertes der Anlage, erzielt also einen Kursgewinn von 5 Prozent. Wird dieser Kursgewinn frühestens nach sechs Monaten erzielt (liegt also zwischen Kauf und Verkauf der Anleihe mindestens ein halbes Jahr), dann ist dieser Kursgewinn steuerfrei.

 

IV.1.2.3. Investmentfonds

Investmentgesellschaften erlebten einen regelrechten Boom durch die neue Zinsregelung. Banken entwickelten neue Renten-, Aktien-, Immobilien- und geldmarktnahe Fonds die sich reger Beliebtheit erfreuten. Davon profitierten im Inland wie auch im Ausland aufgelegte Fonds.

Deutsche Banken unterhalten in der Regel eigene Investmentgesellschaften, unter anderem auch im Ausland. Die Dresdner Bank z.B. führt vier Gesellschaften, wovon die DEUTSCHER-INVESTMENT-TRUST Gesellschaft die bedeutsamste ist. Sie konnte ihr Fondsvermögen zusammen mit der 100prozentigen Tochtergesellschaft dresdnerbank asset management SA(dam), Luxembourg Ende 1993 von 37, 3 Milliarden Mark auf 43,9 Milliarden Mark erhöhen.[78] Weltweit verwalten die Dresdner Bank rund 175 Milliarden Mark, 35 Prozent mehr als im Vorjahr.

Andere Großbanken profitierten ebenfalls von ihren Investmentgesellschaften. So etwa die DB Investment Management S.A., Luxemburg, Tochterunternehmen der Deutschen Bank. „Die von unseren Tochterunternehmen […] konzipierten Renten- und Geldmarktfonds stießen auf lebhafte Nachfrage. Der Ende letzten Jahres aufgelegte DWS Deurschland Fonds erreichte hervorragende Absatzzahlen. Insgesamt stieg das Volumen der von uns verwalteten Wertpapierfonds um fast 30 % auf 73,4 Milliarden Mark.“[79]

Eine beachtliche Summe die dem Fiskus zumindest zu Teilen in Form der Zinsabschlagsteuer entgangen ist, auch wenn nicht ersichtlich ist, welcher Anteil dieser Summe Fonds im Ausland zuzuschreiben ist. Es dürfte jedoch ein beachtlicher Teil gewesen sein, da insgesamt die Forderungen und Verbindlichkeiten der Auslandsfilialen inländischer Kreditinstitute gegenüber Luxemburg[80] kurz vor Einführung der Zinsabschlagsteuer überproportional gestiegen sind.

 

Der Vorteil für den Anleger liegt bei Investmentfonds in den hohen steuerfreien Teilen im Gesamterfolg. So sind Veräußerungsgewinne prinzipiell steuerfrei, wie auch die Anlage von der Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer und Vermögenssteuer freigestellt ist. Der Anleger wird zudem durch das Fondsmanagement von der Verwaltung seines Depots entlastet. Rendite, Sicherheit und Luiquidität sind durch Fonds gut gewährleistet.

 

 

IV.1.2.4. Investitionen am Euromarkt

 

Ein weiteres Geschäftsfeld wurde durch die Zinsabschlagsteuer für die Bankwirtschaft verstärkt interessant: Der Euromarkt. Hierbei handelt es sich um einen internationalen Finanzmarkt, der auch als Fremdwährungsmarkt bezeichnet wird. Auf ihm werden in einem anderen Land Währungen anderer Länder eingelegt und auch intensiv gehandelt.

Das Wesen des Euromarktes liegt in der fehlenden staatlichen Kontrolle (sogenannter offshore-Platz). Da die Zinsbildung nach den Regeln von Angebot und Nachfrage erfolgt, sind sie meist niedriger als auf den nationalen Märkten. Die Vorteile für Anleger liegen demnach

 

– in der steuerlichen Begünstigung gegenüber gleichgelagerten Aktivitäten auf den nationalen Märkten;

– in den Zinsdifferenzen zu den nationalen Geld-, Kredit- und Kapitalmärkten;

– in der Unabhängigkeit von nationalen geldpolitischen Lenkungsinstrumenten und Bankenaufsicht und

– dem ungehinderten Austausch von Kapitalien.

 

Das diese Vorteile nach Einführung der Zinsabschlabsteuer verstärkt genutzt wurden, bestätigt die Deutsche Bank: „Die Anlagen am Euromarkt haben sich deutlich erhöht. Ursache dafür waren neben günstigerer Verzinsung unter anderem auch durch die Zinsabschlagsteuer bedingte Umschichtungen zu Lasten von Inlandseinlagen.“[81] Beliebter Anlageplatz war dabei wieder Luxemburg, da dort der DM-Euromarkt gehandelt wird.

 

 

 

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